Dienstag, September 12, 2006

x2

Ort... SAN JOSÉ, Costa Rica
Wetter... kuehler in der Nacht

inzwischen besuchter Ort... MANAGUA, Nikaragua

Ich fuehlte mich von Anfang an unwohl in Nikaragua. Die (meisten) Leute erschienen mir als total unsympathisch, das Zimmer im Hospedaje war eine Frechheit und das Essen furchtbar. Jeder scheint hier Angst zu haben, die Atmosphaere, die in der Luft liegt, ist nur schwer auszuhalten.
Begleitet von einer jungen Misquita-Frau spaziere ich so dahin, als pleotzlich, aus heiterem Himmel, Folgendes passiert: Ein groszer, dicker, hellerer Typ mit Glatze stuermt auf mich zu, mit einem groszen Kuechenmesser in der Hand, und schreit: "Dinero, dinero!" Ich realisiere es gar nicht richtig. Ich stehe unter Schock und glaube zu sehen, dass er mir Bauchstiche zufuegt. Er sticht aggressiv einfach drauf los, ich gebe ihm circa 600 Córdobas (etwa 45 US-$), und er: "mas, mas!!!", was so viel wie "mehr, mehr" bedeutet. Er nimmt also meine Kamera aus der Hosentasche. Ein einheimischer Junge eilt mir/uns zu Hilfe - er schlaegt den (einen) Taeter in die Flucht, indem er ihm mit einer Eisen- oder Holzstange Schlaege auf den Kopf verpasst. Der ladron rennt davon. Wie laecherlich! Eine feige Sau! Ohne die Einheimischen haette er mich/uns aber vielleicht umgebracht. Ich bemerke eine tiefere und eine weniger tiefe Schnittwunde an meiner linken Hand (Blut rinnt heraus). Glueck im Unglueck!- Auch in der Kamera hatte ich naemlich eine nagelneue Speicherkarte - als haette ich geahnt, was passiert, habe ich noch in der Frueh eine volle mit vielen vielen Fotos gegen diese ausgetauscht. Alle anderen Fotos, die vor dem und nicht am 10.09. gemacht wurden, habe ich noch.
Ich gehe sofort zur Polizei, da die Leute in jener Gegend, wo die Tat passierte, den Raeuber scheinbar kennen. Jessica begleitet mich. Ein Suchkommando macht sich bereit, auch wir springen in den Pick-Up der Polizei. Schwer bewaffnet geht es durch die Straszen. Schusswechsel. Ploetzlich schlaegt die Polizei auf irgendjemanden ein, der gar nichts mit der Tat zu tun hat. Danach dringen die Polizisten in ein Haus ein und zerren einen Jungen auf die Ladeflaeche - ein vermeintlicher Freund des Taeters, der uns "helfen" soll, diesen zu finden. Er ist nackt und wird maltraetiert: Auf ihn wird dauernd eingeschlagen, mit Eisenstange, Fusztritten ueberallhin, bis er Blut spuckt... Auch werden ihm ein Arm und ein Bein gebrochen. Das sind die Methoden der nikaraguanischen Polizei. Es vergehen Stunden, die ich auf der Polizeistation verbringe, und ploetzlich bringen sie zwei Verhaftete: Sie waren es, meint Jessica (der andere Typ, den ich nicht gesehen habe, soll hinter mir gestanden sein und mir ein Messer in Kopfhoehe vorgehalten haben). Ich kann mich auf das Aussehen des Einen (vielleicht Ricardo Martinez Lopez, welchen sie eingesperrt haben) wirklich nicht genau erinnern, ich stand unter Schock, und da schaut man dann nicht genau. Sie sind nun im Gefaengnis, die Kamera habe ich aber nie bekommen. Wer weisz, welche Strategie vielleicht auch Jessica angewandt hat. Vertrauen kann man hier keinem.
Aber alles kein Wunder! Im "Zentrum" Managuas (diese Stadt hat kein richtiges Zentrum) steht eine haessliche Riesenstatue, die einen Mann (?) mit verzerrtem Gesicht darstellt, welcher ein Maschinengewehr (die Polizei hat uebrigens AK-47) in Richtung Himmel streckt. Waffen - also Gewalt - werden hier verherrlicht. Kann man so die Kriminalitaet bekaempfen, indem man derartige Statuen aufstellt?!
Die Polizei haendigte mir keine Kopie meiner Anzeige aus (auch auf Anfrage nicht), dies sei "in Nikaragua nicht ueblich". Ich sollte aber noch ein bis zwei Wochen hier in Managua bleiben, um vor Gericht auszusagen. Ja klar mache ich das, sicher, ... Am Arsch lecken koennen sie mich! Ich bin dann losgezogen, zum Doktor, der mich inspizierte, und dann gleich raus aus diesem Scheiss-Land, mit Tica-Bus nach San José, Costa Rica, wo ich nun ohne Geld festsitze. Naja, ein Unglueck kommt selten alleine, schauen wir, was kommt oder nicht kommt.
Das Einzige, das mich heute ein bisschen aufheitern konnte, waren die Passstempel und eine Bar in Nord-Costa Rica, die sich "El Yugo" nennt.
Jedenfalls bin ich froh, dass ich noch am Leben bin. Das ist das Einzige, was wirklich zaehlt. Am selben Tag wurden in jenem Distrikt (Santo Domingo = heiliger Sonntag, und zufaellig war gestern auch Sonntag, wirklich heilig und toll!; heute ist uebrigens der 11. September), wo ich ausgeraubt wurde, 4 Personen ermordet.
Ich habe mir viel von Nikaragua erwartet, wollte mir die Staedte León, Granada und eben Managua ansehen, wo ich der Bar "El Mamón" und Axel Manzanares (Freund von meinem Kollegen Mario) gerne einen Besuch abgestattet haette. Aber daraus wurde nichts.
Lebendige Gruesze,
Euer Chris(topher)


Gedicht fuer die Taeter:

In Kalk, noch ungelöscht, in Eisenbrei,
in Salz, Salpeter, Phosphorgluten,
in dem Urin von rossigen Eselsstuten,
in Schlangengift und in Altweiberspei,
in Hundeschiß und Wasser aus den Badewannen,
in Wolfsmilch, Ochsengalle und Latrinenflut:
In diesem Saft soll man die Managua-Raeuber schmoren.
In eines Katers Hirn, der nicht mehr fischt,
im Geifer, der aus den Gebissen
der tollen Hunde träuft, mit Affenpiß vermischt,
in Stacheln, einem Igel ausgerissen,
im Regenfaß, drin schon die Würmer schwimmen,
krepierte Ratten und der grüne Schleim
von Pilzen, die des Nachts wie Feuer glimmen,
in Pferderotz und auch in heißem Leim:
In diesem Saft soll man die Feiglinge, die mir die Kamera brutal geraubt haben, schmoren.
In dem Gefäß, drin alles reingerät,
was so ein Medikus herausholt aus dem schwieren
Gedärm an Eiter und verpestetem Sekret,
in Salben, die sie in den Schlitz sich schmieren,
die Hurenmenscher, um sich kalt zu halten,
in all dem Schmodder, der zurückbleibt
in den Spitzen und den Spalten
(wer hätte nicht durch solchen Schiet hindurchgemußt!):
In diesem Saft soll man die kriminellen Schweine schmoren.
Meine Herren, packt all die saubren Sachen
(gehen sie in den verfaulten Kürbis nicht hinein)
in eure Hosen, um den Bottich voll zu machen,
gebt auch den Arschgeruch von einem Schwein hinein,
und hat's vier Wochen lang gegoren:
In diesem Saft solln eure Seelen schmoren.

(von Klaus Kinski und Christopher Gabriel Wastian bearbeitete Fassung der Nachdichtung von Paul Zech; Original von François Villon)

6 Comments:

Anonymous Anonym said...

unbelievable

svete

12/9/06 12:39  
Anonymous Anonym said...

I'm just glad you are ok.
Please be more careful.
un abrazote y besos para ti.

12/9/06 19:20  
Anonymous Anonym said...

Unglaublich diese, leider wahre
Geschichte. Bitte paß gut und besser auf dich auf!!!!!!
Viel Glück wi

12/9/06 22:53  
Anonymous Anonym said...

oh mein gott, chris...

nach über einer woche abstinenz von deinen reiseberichten hat mich grad fast der schlag getroffen, sowas zu lesen!!

Bin echt froh, dass du mehr oder weniger heil davon gekommen bist. Das hätt wirklich schlimm ausgehen können!!

Sieh ja zu, dass du Land gewinnst und schleunigst wieder nach Haus kommst.. Oder zumindest in irgendeine sicherere Gegend...

Werd dir in den nächsten Tagen wieder eine etwas längere Mail schreiben.. Bin heute zu müde.

Pass auf dich auf und lass dich nicht auf hübsche mädels mit wahnsinnigen freunden/bekannten/nachbarn oder was auch immer ein...

muss ja echt filmreif gewesen sein.. schrecklich..

aber du bist davongekommen und das ist die hauptsache! jetzt hast du in deinem dicken buch noch ein erlebnis mehr, das du nicht so schnell vergisst und du in 50 jahren deinen enkelkindern beim schlafenlegen erzählen kannst - oder besser nicht, die würden wahrsch. albträume bekommen.. sowie ich heut ziemlich sicher !!

hoff der schock legt sich bei dir schön langsam..


alles liebe,
michi.

13/9/06 01:01  
Anonymous Anonym said...

Hi,
sollte deine Begleiterin eure absolvierte Wanderroute "ausgewählt" bzw. dich darin beeinflusst haben, dann hast du schon in jungen Jahren eine wichtige Lektion zum Thema "Frauenwelt" erhalten.

Gute Erholung wünscht
ec-p

14/9/06 14:38  
Anonymous Anonym said...

der seuchengott aber sprach: "ich tötete nur 100 - 9900 hat die eigene angst umgebracht. so wirds jetzt wahrscheinlich deinen mördern ergangen sein . gott sei dank noch so ausgegangen. pass auf dich auf! lga

14/9/06 20:18  

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